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Sind Notare die „geborenen“ Mediatoren?


Dr. Dietrich Pielsticker M.A. - 30. April 2023

„Als Notar bin ich doch ständig auch als Mediator tätig!“

So oder ähnlich schätzt manch ein Notar seine Fähigkeiten ein, wenn er bei Beurkundungen mit Geschick einen Streit der Parteien über Vertragsregelungen ausgleichend schlichtet. Stimmt diese Annahme?

Notare sind im Rahmen ihrer Tätigkeit sämtlichen Beteiligten an einem Urkundenverfahren gegenüber zur Neutralität verpflichtet. Der Notar „hat nicht eine Partei zu vertreten, sondern die Beteiligten unabhängig und unparteiisch zu betreuen.“, heißt es in der Bundesnotarordnung (§ 14 Abs. 1 BNotO).

Mediatoren sind ihren Medianten gegenüber ebenfalls zur strengen Neutralität verpflichtet. So lautet § 1 Abs. 2 des Mediationsgesetzes (MediationsG): „Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt.“

Diese „Neutralität im Verfahren“ ist damit bei Notaren und Mediatoren durchaus vergleichbar streng geregelt

Daneben gilt bei beiden Berufsgruppen auch die „Neutralität in der Person“. So dürfen Notar und Mediator grundsätzlich nicht tätig werden, wenn sie selbst oder andere mit ihnen in derselben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft verbundene Person in derselben Sache bereits für eine Partei tätig waren (§ 3 Abs. 2 u. 3. MediationsG, § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG).

Das im MediationsG verankerte Neutralitätsgebot ist eine der ganz wichtigen Säulen in einem Mediationsverfahren. Diese Neutralität hat einerseits der Mediator „objektiv“ zu gewähren leisten, andererseits muss diese Neutralität aber auch „subjektiv“ von den Medianten empfunden werden. Denn hat nur ein Mediant das Gefühl, der Mediator sei nicht neutral, ist die Mediation gescheitert. Um diesen Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen, gehen die Ansprüche an die Neutralität des Mediators über das oben zur Neutralität in der Person Gesagte hinaus. So verbietet es sich für Mediatoren eine Mediation durchführen, wenn sie z.Bsp. eine der an der Mediation beteiligten Parteien bereits aus früheren beruflichen Beratungsmandaten, Mediationsverfahren oder aber auch aus privaten Kontakten kennen. Denn frühere persönliche oder berufliche Kontakte bergen objektive die Gefahr der fehlenden Neutralität gegenüber den Mediationsparteien. Bei einer solchen Konstellation kann der Mediator kaum vermeiden, entweder die ihm bekannte Partei auch ungewollt zu bevorzugen oder eben diese Partei unbewusst zu benachteiligen, weil er ausdrücklich seine Neutralität gewahrt wissen möchte. Diese „Neutralität in der Person“ des Mediators, die nur in Ausnahmen und nur mit Zustimmung sämtlicher Beteiligter aufgehoben werden kann, bedeutet einen sehr hohen Grad an Neutralität, sogar einen höheren als er von Notaren verlangt wird. Denn diese sind aufgrund des gewonnenen und sogar angestrebten Vertrauensverhältnisses sowohl für gewerbliche als auch für private Mandanten wiederholt tätig. Natürlich darf auch wiederholte Beauftragung durch einen Mandanten grundsätzlich keine Zweifel an der Neutralität des Notars oder der Notarin aufkommen. Allerdings sind die Parteien eines Beurkundungsverfahrens selten so kritisch wie Medianten im Mediationsverfahren. Denn zum einen ist der Notar „unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes“ (§ 1 BNotO), was ihm eine gewisse Autorität verschafft, und zum anderen schränkt der Zwang, bestimmte Verträge beurkunden zu müssen, die Entscheidungsfreiheit der Parteien ein, die im Übrigen auch bei Abbruch eines Beurkundungsverfahrens grundsätzlich die entstandenen zum Teil erheblichen Notargebühren bezahlen müssten. Es gibt also nur in seltenen Ausnahmefällen so große Zweifel an der Neutralität des Notars, dass ein Beurkundungsverfahren scheitert.

Damit gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Notar und Mediator in der „Neutralität in der Person“.

Notare sind in ihrer Kernkompetenz Juristen und damit darin ausgebildet, Sachverhalte juristisch zu betrachten und Problem auf rechtliche Weise zu lösen. Sie müssen sich bei ihrer Tätigkeit juristischer Begriffe bedienen, um so die Rechtsgültigkeit, also die rechtliche Wirksamkeit, und den Vollzug und die Abwicklung, z.Bsp. von Grundstückskaufverträgen, Gesellschaftsgründungen, aber auch Testamenten und Eheverträgen Erbscheinsanträgen, zu gewährleisten. Die Verwendung von ungenauen juristischen Begriffen führt zu Auslegungsproblem der Verträge oder sogar zu deren Unwirksamkeit. Sie entwerfen die zu beurkundenden Dokumente und beeinflussen ganz maßgeblich die vertraglichen, rechtlichen Formulierungen, aber auch die Verhandlungen der Parteien während des Beurkundungstermins, z.Bsp. im Hinblick auf die rechtliche Zulässigkeit und die Umsetzbarkeit von Vertragsvorschlägen. Notare sind also aktive juristische Gestalter für die sie beauftragenden Parteien. Allerdings sind sie bei vielen Beurkundungen auch bemüht, einen Ausgleich, einen Kompromiss zwischen den Beteiligten zu finden, um die Beurkundung nicht scheitern zu lassen, was – aus eigener Erfahrung – fast immer gelingt. Allerdings ist dieser Kompromiss immer auf den Gegenstand des Konflikts beschränkt. Eine Lösungsoffenheit auch im Hinblick auf die Ausweitung der Lösungsmöglichkeiten über den zu beurkundenden Einigungsgegenstand hinaus ist nicht möglich und auch nicht zielgerichtet.

Ganz anderes bei den Mediatoren und Mediatorinnen. Sie haben meist neben ihren sonstigen beruflichen Kernkompetenz eine besondere Mediationsausbildung genossen, die gerade darin liegt, Mediationsparteien durch ein Verfahren zur Lösung von Konflikten, dem Mediationsverfahren, zu führen und sie bei der eigenständig gefundenen Lösung zu begleiten. Sie sind grundsätzlich nicht an der aktiven Lösungsfindung und schon gar nicht an der juristischen Bewertung von Konflikten, aber auch nicht von möglichen Lösungsoptionen beteiligt. Die juristische Bewertung, die die Medianten nicht unberücksichtigt lassen dürfen, ist nicht Aufgabe des Mediators und birgt die Gefahr, in den Augen der Mediaten als nicht neutral zu erscheinen. Die Mediation bietet gerade die Möglichkeit, eine Lösung nicht fokussiert auf den vorhandenen Konflikt zu suchen, sondern den Fokus zu weiten und Lösungen auch außerhalb des Konfliktthemas, z.Bsp. im Rahmen der weiteren Beziehungen der Konfliktparteien zu suchen.

Notare und Mediatoren habe also einen ganz unterschiedlichen Ansatz, Probleme zu lösen. Notare und Notarinnen sind aktiv Lösungen gestaltende Juristen, Mediatoren und Mediatorinnen handeln nicht rechtlich fokussiert, gestalten nicht die Lösungen und versuchen den Lösungshorizont der Parteien über den Konfliktstoff hinaus zu erweitern.

Notare sind damit nicht die „geborenen“ Mediatoren. Dazu gehört doch mehr als „nur“ neutral, verfahrensneutral, zu sein. Mediatorinnen und Mediatoren haben einen ganz anderen und viel weiteren Ansatz, Konfliktverfahren zu begleiten und Medianten bei der Suche nach Lösungsoptionen und nach Lösungen zu unterstützen.

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Dr. Dietrich Pielsticker M.A.

Zertifizierter Mediator, WirtschaftsMediator
Rechtsanwalt, Notar a.D.
Attorney-at-Law, New York


Der Autor Dr. Dietrich Pielsticker arbeitet als Rechtsanwalt und Notar in der Kanzlei PIELSTICKER MOHME in Berlin. Er studierte in Berlin, Freiburg und München und ist zudem im Staat New York, U.S.A., als Attorney-at-Law zugelassen. 2005 absolvierte er die Mediationsausbildung bei der Deutschen Anwaltsakademie (DAA) und erwarb zusätzlich eine Qualifikation zum WirtschaftsMediator bei der Centrale für Mediation (CfM). Seinen Master of Arts in Mediation erlangte Dietrich Pielsticker an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

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