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Jetzt wird’s eng!


Markus Weinkopf M.A. - 1. Dezember 2017

Konfliktmanagement bei Nachverdichtung

Urbane Gemeinschaften sind seit Jahrhunderten Anziehungspunkte für Menschen. Das Angebot von Arbeitsplätzen, Bildung, Gesundheitsversorgung und Freizeitaktivitäten ist in der Stadt in der Regel höher als am flachen Land oder in Städten strukturschwacher Regionen. Schaffung von zusätzlichem Lebensraum für Menschen im innerstädtischen Bereich ist jedoch eine große Herausforderung an Bürger*innen, Verwaltung und Politik. Unter dem Schlagwort Nachverdichtung wird in der Regel verstanden, neuen Wohnraum dort zu schaffen wo die Infrastruktur in den Bereichen Kinderbetreuung, Schulen, Arbeitsplätze, Verkehr, Versorgung und Entsorgung bereits vorhanden ist.

Nachverdichtung bedeutet Verringerung von Abständen, also mehr Enge. Wo es Enge gibt, gibt es Reibung. Wo es Reibung gibt, gibt es Konflikte.

Das gemeinsame Interesse von Bürgerschaft, Verwaltung und Politik ist, diese Koflikte so früh wie möglich zu erkennen, möglichst von vornherein zu verhindern oder zu lösen. Um diese Aufgabe gut und schnell erledigen zu können, sollte die Kommune die Unterstützung Dritter einschalten.

Nachverdichtung im städtebaulichen Kontext ist einerseits das Füllen von Lücken zwischen, das Erhöhen von bestehenden Gebäuden und andererseits die Umwandlung von Räumen – auch von Stadträumen, die bisher nicht fürs Wohnen genutzt wurden (z.B. Ausbau von Dachgeschoßen, Konversion von Kasernen, aber auch Bebauung von Freiflächen). In jedem Fall wird in einer organisch gewachsenen Struktur zusätzlicher Wohnraum geschaffen. Die Bevölkerung, die in einem solchen Gebiet bereits wohnt und sich mit dem Bestehenden identifiziert, erlebt die Implementierung neuer bzw. zusätzliche Nutzung bestehender Räume als Fremdkörper. Ebenso kann sie die neu zugezogenen Nachbarn als nicht dazu gehörend und sogar störend empfinden.

Nachverdichtung birgt also hohe Brisanz. Zur Nachverdichtung ist politischer Wille erforderlich. Soweit die Nachverdichtung das Resultat einer städteplanerischen Entscheidung ist, werden die dafür verantwortlichen Politiker*innen Rechenschaft gegenüber den betroffenen Bürger*innen ablegen müssen. Tatsächlich unterscheiden die Bürger*innen jedoch meist nicht zwischen der politischen Verantwortung von Mandatsträger*innen und der Erfüllung eines politischen Auftrages durch die Verwaltung. Es besteht ein Spannungsdreieck, das konfliktimmanent ist.

Nachverdichtung bedeutet also Druck sowohl auf Bürger*innen, Mandatsträger*innen und Verwaltung. Im Rahmen von Bauleitverfahren hat der Gesetzesgeber formelle Verfahren vorgeschrieben, die unterschiedlich von den Verfahrensträgern beschritten werden. In der Vergangenheit sind diese Verfahren meist unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit vonstatten gegangen. Nur wirklich Interessierte und massiv Betroffene haben die Gelegenheit genutzt ihre Anliegen und Wünsche in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Form darzulegen. In den vergangenen Jahren sind mehr und mehr auch informelle Verfahren meist unter den jetzt populären Stichworten Bürgerbeteiligung und Partizipation hinzugekommen. Gleichwohl nannte der Gesetzgeber die Beteiligungsverfahren immer schon Bürgerbeteiligung, doch wurde diese von den Bürgerinnen als solche nicht wirklich wahrgenommen. Bürgerbeteiligungsverfahren müssen vor allem Aktivierungsverfahren sein.

Die Aktivierung bedeutet natürlich auch, Menschen einzubinden, die sich vehement gegen bestimmte Projekte wehren, die von anderen als Querulanten wahrgenommen werden.

Die Kommunen – und vornämlich hier ist Bürgerbeteiligung gefragt – gehen nun auf die Bürger*innen zu und lenken den Fokus ihrer Öffentlichkeitsarbeit mehr und mehr auf die Information der Bürger*innen zwecks Aktivierung. Heute wird diese Vorgehensweise meist dann angewandt, wenn die Bauleitverfahren an jenem Punkt angekommen sind, wenn das Gesetz die Beteiligung vorsieht. Außerhalb von Bauleitplanungen, werden Beteiligungsverfahren, also informelle Verfahren, kaum angeboten. Wenn also Bauvorhaben im Rahmen der Landesbauordnung abgewickelt wird, sind die Bürgerinnen nur dann involviert, wenn sie als Grundeigentümerinnen unmittelbar angrenzende Nachbarn zu dem zu bebauenden Grundstück sind. Nachverdichtung wird meist nach den Vorgaben des §34 BauGB abgewickelt, das lediglich die Anpassung an die umgebende Bebauung verlangt. In Fällen der Nachverdichtung im Rahmen des geförderten Wohnungsbaus sind meist Mieter*innen von so genannten Sozialwohnungen betroffen, deren Beteiligungspotenzial schon aufgrund ihrer sozialen Stellung als Nutznießer der öffentlichen Hand minimiert ist. Dennoch oder gerade deswegen sind auch in diesen Konstellationen immer öfter Konflikte zu erwarten, die aufgrund höherer Nutzungsdichte entstehen. Präventive Handlungsschritte sind erforderlich, die als politischer Auftrag von den Mandatsträger*innen an die Verwaltung im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens der Bürger*innen gegeben werden sollten.

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Markus Weinkopf M.A.

Zertifizierter Mediator

Der Autor Markus Weinkopf ist Architekt und Stadtplaner. Er studierte in Wien an der Technischen Universität Architektur und arbeitete später in einem Architekturbüro, das er mehrere Jahre als Büroleiter führte. 2006 wurde er dort Partner und absolvierte im gleichen Jahr eine Ausbildung zum Mediator für den Bereich Planen, Bauen und Umwelt bei der Bayerischen Architektenkammer. Seinen Master of Arts (M.A.) für Mediation legte er an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder ab. Weitere Erfahrungen hat Markus Weinkopf in Wirtschafts- und Gemeinwesenmediation sowie als Moderator von Bürgerbeteiligungsverfahren. Wegen seiner architektonischen und baulichen Expertise ist Markus Weinkopf ein gefragter Mediator für den öffentlichen und privaten Bausektor. Markus Weinkopf ist seit 1993 ehrenamtlich für das psychosoziale Zentrum REFUGIO München aktiv, u.a. im Vorstand des Träger- und Fördervereins. REFUGIO ist eine NGO, die sich vor allem um traumatisierte Flüchtlinge kümmert.

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