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Neu auf dem Markt: Umfassende Kommentierung der Ausbildungsverordnung für zertifizierte Mediatoren.


Dr. Piet Sellke M.A. - 30. Juli 2018

Prof. Dr. Roland Fritz und Dr. Dietrich Pielsticker, Herausgeber und Autoren des bereits im Jahre 2013 im Luchterhand Verlag erschienen „Kommentars zum Mediationsgesetz“, haben aktuell einen „Kommentar zur Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren“ vorgelegt, der ebenfalls bei Luchterhand (Juli 2018) erschienen ist (ISBN 978-3-472-09578-1). Mit dieser Kommentierung schließen sie eine Lücke, die seit der Veröffentlichung der Verordnung im Bundesgesetzblatt bestanden hat:

Denn dass die Verordnung trotz mehrjähriger Vorlaufzeit wie „mit heißer Nadel“ gestrickt wirkt, eine Vielzahl von Ungereimtheiten, Ungenauigkeiten und Unschärfen aufweist und an zahlreichen Stellen einer (grundrechtskonformen) Interpretation bedarf, um überhaupt handhabbar zu sein, darauf hatte nicht zuletzt Roland Fritz in etlichen Veröffentlichungen bereits mehrfach hingewiesen (Zertifizierung für langjährig praktizierende Mediatoren –Rechtsnebel statt Rechtsklarheit, Die Mediation 2017, 60; (Einzel-)Supervision für zertifizierte Mediatoren, ZKM 2017, 89; Ein Anreiz zur Weiterbildung, IHK-Wirtschaftsforum 03.2017, 45).

Roland Fritz und Dietrich Pielsticker nehmen sich in dem nunmehr herausgegebenen Kommentar der vielen Schwachstellen an und unterbreiten vernünftige und praktikable Lösungsvorschläge, um die Verordnung für Mediatoren und Mediatorinnen wie auch für Aus- und Fortbildungsinstitute handhabbar zu machen. Die Ausführungen zu den einzelnen Vorschriften stellen zunächst auf Regelungsgegenstand und Zweck ab bevor im Einzelnen die Inhalte erläutert werden – gefolgt von ausführlichen Hinweisen für die Praxis.

Hier nun einige wenige Beispiele aus der über 100 Seiten umfassenden Schrift, wie sinnvollerweise die Vorschriften zu interpretieren und anzuwenden sind:

  • Der in § 2 ZMediatAusbV verwendete Begriff „Ausbildungslehrgang“ wirft die Frage auf, ob ein solcher Lehrgang nur bei einer einzigen Ausbildungseinrichtung absolviert werden darf oder ob bei einer anderen Einrichtung absolvierte Zeiten und erworbene Inhalte angerechnet werden können.

Zutreffend stellen Fritz/Pielsticker darauf ab, dass entscheidend die in der Anlage zur Verordnung aufgeführten Inhalte sind und im Hinblick auf die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG die bei einer Ausbildungseinrichtung in einem angebotenen Ausbildungslehrgang versäumte Zeit und/oder Inhalte sowohl bei dieser Ausbildungseinrichtung als auch bei einer anderen Ausbildungseinrichtung nachgeholt bzw. erworben werden können und dies nach § 2 Absatz 6 ZMediatAusbV auch in der(Abschluss-)Bescheinigung zu dokumentieren ist (vgl. Kommentierung § 2 Rdn. 21).

Und sinnvollerweise wollen Fritz/Pielsticker den Gedanken der Anrechenbarkeit auch dann zur Anwendung bringen, wenn bspw. die Einzelsupervision nach § 2 Abs. 5 ZMediatAusbV oder die vier Einzelsupervisionen nach § 4 Abs. 1 ZMediatAusbV nicht in der jeweils vorgeschriebenen Frist absolviert wurden: Bei dem dann notwendig werdenden erneuten Ausbildungslehrgang sollen Teile der Erstausbildung angerechnet werden können (vgl. Kommentierung § 2 Rdn. 79, § 4 Rdn. 47).

Diesen Gedanken konsequent weitergedacht könnte sich hieraus für Ausbildungseinrichtungen durchaus ein neues Geschäftsmodell des Inhalts ergeben, kurze Ausbildungslehrgänge mit umfassender Anrechnung früherer Zeiten und Inhalte anzubieten, um so denjenigen, die bestimmte in der Verordnung angelegte Fristen versäumt haben, die Mühe und Kosten einer erneuten 120 Präsenzzeitstunden umfassende Ausbildung zu ersparen.

  • § 3 der Verordnung verlangt vom zertifizierten Mediator innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen im Umfang von mindestens 40 Zeitstunden. Ob sich die „Teilnahme“ allein auf die sog. „hörende Teilnahme“ bezieht oder auch die sog. „dozierende Teilnahme“ umfasst, ob Online-Angebote hierzu zählen und ob die Ziele der Fortbildung nur alternativ (§ 3 Abs. 2: „oder“) möglich sind, lässt die Verordnung offen.

Mit guten Gründen legen Fritz/Pielsticker dar, dass auch die dozierende Tätigkeit als anrechenbare Fortbildung zu werten ist (vgl. Kommentierung § 3 Rdn. 15 ff), dass Online-Angebote ebenfalls als Fortbildung genutzt werden können (vgl. Kommentierung § 3 Rdn. 20 ) und dass die in Absatz 2 aufgeführten Ziele auch kumulativ in einer Fortbildungsveranstaltung enthalten sein können (vgl. Kommentierung zu § 3 Rdn. 33).

  • Die Übergangsvorschrift des § 7 Abs. 3 ZMediatAusbV verlangt scheinbar auch von sog. Altfällen, mithin Mediatoren, die vor dem 26. Juli 2012 eine Ausbildung im Umfang von mindestens 90 Zeitstunden abgeschlossen und zudem vier Mediationen durchgeführt haben, dass diese sich nach § 4 ZMediatAusbV ebenfalls binnen zwei Jahren vier Einzelsupervisionen zu unterziehen haben, beginnend ab dem 1. September 2017.

Fritz/Pielsticker machen deutlich, dass die Vorschrift – entgegen anderer Auffassung im Schrifttum – einer Auslegung zugänglich ist und gelangen unter Anwendung der einschlägigen juristischen Interpretationsmethoden, ausgehend von den unterschiedlichen Adressatenkreisen und den verschiedenen Fortbildungsverpflichtungen, zu dem sinnvollen Ergebnis, dass für sog. Altfälle die Supervisions-Fortbildungen nach § 4 ZMediatAusbV nicht verpflichtend sind.

Resümee: Die Kommentierung der ZMediatAusbV schließt eine bislang bestandene Lücke und kann uneingeschränkt empfohlen werden: Sie bietet dem einzelnen Mediator wie auch den Aus- und Fortbildungseinrichtungen eine umfassende Handreichung, um sich im Dschungel der Verordnung zurecht zu finden und sich die notwendige Gewissheit darüber zu verschafften, wer sich unter welchen Kautelen des nunmehr gesetzlich geschützten Begriffs „Zertifizierter Mediator“ bedienen darf und was erforderlich ist, um die Qualifizierung auch zukünftig führen zu können. Hinweise für die Praxis mit zahlreichen Mustern und Checklisten runden die verständlich geschriebene Kommentierung ab. Die vom Verlag veranschlagten 39.- Euro sind daher für jeden eine gut angelegte Investition.

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Dr. Piet Sellke M.A.

Zertifizierter Mediator

Der Autor Dr. Piet Sellke ist Experte für Organisationsentwicklung, Konfliktlösung und Dialogmanagement. Er begleitet Strategieentwicklungsprozesse ebenso wie alle Arten von Veränderungsprozessen in Unternehmen und Organisationen. Im Bereich der agilen Methoden begleitet Herr Sellke bei deren Einführung und Umsetzung. Als zertifizierter Mediator weiß er mit den in Veränderungsprozessen entstehenden Konflikten umzugehen.

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