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Schlechte Note für die Konfliktkultur in Deutschland


Nicole Etscheit M.A. - 11. Mai 2023

Wir brauchen endlich eine Mediationskostenhilfe!

Der kürzlich erschienene ROLAND Rechtsreport wirft einen Schatten auf die Konflikt- und Streitkultur in Deutschland: Obwohl 51 % der Befragten überzeugt sind, dass man mit außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren, wie der Mediation, viele Streitigkeiten beilegen kann, ist der Anteil der Skeptiker gegenüber außergerichtlichen Verfahren von 31 % auf 37% gewachsen.

Trotz großer Unzufriedenheit mit Gerichtsverfahren – insbesondere aufgrund der langen Verfahrensdauer, die 80% der Befragten beklagen – kommt die außergerichtliche Streitbeilegung nicht in Schwung. Das 2012 erlassene „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung“ konnte die Konfliktlösungskultur in Deutschland offenbar (noch) nicht nachhaltig verändern und die Betroffenen motivieren, nicht das Gericht anzurufen, sondern sich an einen Mediator zu wenden.

Anders als in der Schweiz und in Österreich konnte sich der Gesetzgeber seinerzeit nicht zu einer Mediationskostenhilfe für bedürftige Konfliktparteien durchringen. Es sollte zunächst bundesweit im Rahmen eines Forschungsprojektes die Folgen einer an die Struktur der Prozesskostenhilfe angelehnte Mediationskostenhilfe wissenschaftlich untersucht werden – was nie zustande kam.
Ein in Berlin von der Justizverwaltung durchgeführtes – auf Familienkonflikte beschränktes – Modellprojekt „Berliner Initiative Geförderte Familienmediation“ (BIGFAM) wurde evaluiert und kam zu folgenden Erkenntnissen:

Mediationskostenhilfe sei geeignet, um bedürftige Konfliktparteien zu außergerichtlichen Verfahren zu motivieren und führe entgegen den Befürchtungen nicht zu einem Fehleinsatz staatlicher Mittel. Dass es in Deutschland nur Prozesskostenhilfe für Gerichtsverfahren gibt, setze falsche Anreize und sei sowohl gesellschafts-, justiz- und fiskalpolitisch verfehlt.

Die Förderung der Mediation und außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren solle in ein Netz von Beratungs-, Konfliktvermittlungs- und Clearingangeboten eingebettet werden, die den Konflikt der Betroffenen analysieren, das passende Verfahren herausfiltern und die Betroffenen dahin vermitteln. So könnten Ressourcen nachhaltig genutzt und Gerichtsverfahren vermieden werden.

Als Vorbild könnte das österreichische Modell der Mediationsförderung dienen, welches rechtlich auf dem Familienlastenausgleichsgesetz basiert. Es werden gemeinnützige Vereinigungen mit hohen Qualitätsanforderungen an die Mediatoren gefördert, um einen professionellen Standard zu gewährleisten. Wer seinen Konflikt ohne Gericht lösen möchte, kann sich aus einer Liste im Internet Mediatoren auswählen und bei einem Einkommen bis 1.800,00 € kostenfrei bzw. je nach Einkommen mit einer Beteiligung in Anspruch nehmen.

Die Mediationskostenhilfe wird in Österreich als eine Leistung der Familienpolitik verstanden und ein gerichtliches Verfahren wird nicht vorausgesetzt.

Fazit: Wir brauchen auch in Deutschland eine gerichtsunabhängige Kostenunterstützung für außergerichtliche (Familien-) Konfliktlösungen! Dies entlastet die Gerichte und führt langfristig zu einem konstruktiveren Umgang mit Konflikten.

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Nicole Etscheit M.A.

Zertifizierte Mediatorin, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht


Die Autorin Nicole Etscheit ist seit 1999 in Berlin als Rechtsanwältin im Familienrecht tätig. Ihre langjährige Erfahrung in diesem Bereich führte sie zur Mediation, die familiäre Konflikte durchweg besser und nachhaltiger lösen kann als unter Einbeziehung des Familiengerichts.

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