Der nach der Entführungsaffäre Trinh Xuan Thanh ausgesetzte deutsch-vietnamesische Rechtsstaatsdialog wurde in diesem Jahr mit der Fortführung der 9. Rechtstage unter Teilnahme deutscher Experten wieder aufgenommen. Zeitgleich unterzeichnete der Parlamentarischer Staatssekretär im BMJV Christian Lange und der vietnamesische Justizminister Le Thanh Long am 2. Oktober 2019 in Hanoi eine Vereinbarung für ein neues Dreijahresarbeitsprogramm, das einen noch stärkeren Fokus auf menschenrechtliche und rechtsstaatliche Themen legt (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2019/100119_Deutsch-Vietn-Rechtsstaatsdialog.html).
Die 9. Rechtstage
Die diesjährige von der Friedrich Ebert Stiftung – FES – und der Rechtshochschule Hanoi – RHS – ausgerichtete Konferenz sowie die zahlreichen Workshops, an denen hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Nationalversammlung und deren Wirtschaftsausschusses, Dozentinnen und Dozenten der RHS und der Rechtshochschule HCMC, Beamte verschiedener Ministerien und Verwaltungen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sonstiger Institutionen teilnahmen, behandelten neben dem Thema Ordnungswidrigkeitenrecht auch aktuelle Fragen von Private-Public-Partnership Projekten, vornehmlich im Bereich des Verkehrssektors und des in Vietnam überwiegend angewandten BOT- Modells (Build Operate Transfer).
Bürgerbeteiligung bei Projekten der Verkehrsinfrastruktur
Dabei wurde von den vietnamesischen Gesprächsteilnehmer u.a. thematisiert, ob es sinnvoll und wünschenswert sei, bereits frühzeitig von Infrastrukturmaßnahmen betroffene Bürgerinnen und Bürger in beabsichtigte Planungen einzubinden. Vertreter des vietnamesischen Arbeitgeberverbandes wie auch der RHS führten aus, dass Verkehrsinfrastrukturprojekte – gleich ob durch die öffentliche Hand, also den vietnamesischen Staat, oder im Rahmen von BOT- Modellen durchgeführt – regelmäßig mit Landenteignungen bei geringer Entschädigung einhergingen; nach abgeschlossener Planungsphase und Projektumsetzung stiege der Wert der enteigneten Grundstücke nicht unerheblich an. Diese Umstände führten nicht selten zu Unmut bei den Betroffenen.
Stellungnahmen der deutschen Kurzzeitexperten
adribo-Gesellschafter Prof. Dr. Roland Fritz erläuterte den vietnamesischen Teilnehmern in diesem Zusammenhang die in der Bundesrepublik Deutschland angewandten Grundsätze frühzeitigen Dialogs mit Betroffenen, die allerdings erst im vergangenen Jahrzehnt entwickelt worden wären und sich noch nicht durchgängig in allen Verwaltungen durchgesetzt hätten.
adribo-Beiratsmitglied und Präs. des AG Elisabeth Fritz verwies auf die Vorteile von Bürgerbeteiligung und Partizipation und berichtete exemplarisch von ihren Erfahrungen in diesem Bereich als Moderatorin und Mediatorin ( siehe hierzu beispielhaft auf dieser Webseite unter „Projekte“, „Salzwerke Dialog“ sowie „Dialog Dormettingen“), während Prof.Dr. Jürgen Kessler (Prof. Dr. em. HTW Berlin, Honorarprofessor an der TU-Berlin und der Kuban Universität Krasnodar sowie Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraum- und Sozialausschusses) darlegte, dass auch auf europäischer Ebene diese Thematik verstärkt in den Fokus des Europäischen Parlaments und der Kommission gerückt sei, wenngleich die konkrete Ausgestaltung den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bliebe. Mit den vietnamesischen Partnern waren sich die deutschen Experten einig, dass es wünschenswert wäre, diese Thematik weiter zu vertiefen und in den anstehenden vietnamesischen Gesetzgebungsprozess einzubeziehen.
Bürgerbeteiligung im Rahmen des Projekts soziale Stadt
Der Leiter des FES Büros Hanoi Dr. Axel Blaschke, Vertreter des Instituts für Städtebauplanung Hanoi mit dessen Abteilungsleiter Vu Hoai Duc an der Spitze sowie die deutschen Experten Prof. Dr. Roland Fritz und Präs. d. AG Elisabeth Fritz erörterten zudem die Möglichkeit, im Rahmen des Projekts soziale Stadt einen Workshop zu Thematik „Bürgerbeteiligung bei öffentlichen Planungsmassnahmen“ gemeinsam zu konzipieren und unter Anleitung der deutschen Experten noch in diesem Jahr durchzuführen.