Nach oben scrollen
© 2019, adribo     |     Modernes Konfliktmanagement.     |     urid

Mediationskomponenten in Schiedsverfahren – Erkenntnisse aus der Praxis


Günter Erdmann - 30. Mai 2022

Die Kombination von Mediation und Schiedsverfahren wird in der Theorie häufig als diametral entgegenstehend und sich wechselseitig ausschließend bezeichnet. Aber warum eigentlich? Und: entspricht dies auch den Bedürfnissen und Erfahrungen der Praxis?

In der Mediation ist es bekanntlich Aufgabe des neutralen Mediators, die Konfliktparteien bei der Lösungssuche zu unterstützen, wobei er für das Verfahren, die Parteien für das Ergebnis verantwortlich sind (vgl. §§ 1, 2 MediationsG). Anders hingegen im Schiedsverfahren, in dem dem Schiedsgericht die Kompetenz übertragen ist, eine verbindliche, vollstreckbare und rechtlich begründete Entscheidung zu treffen.

Gleichwohl gibt es im Schrifttum wie auch in der Praxis Überlegungen und Erfahrungen, sozusagen im „mixed mode” zu einer Kombination von schiedsgerichtlichen Entscheidungsprozessen mit Mediation zu gelangen (vgl. dazu ausführlich Jung/Weber-Stecher, Mediationskomponenten in kombinierten Streitbeilegungsverfahren, Konflikt Dynamik 4/2021, 323 ff.) Dabei geht es weniger darum, beide Verfahren in einen Gleichklang mit-, nach- oder hintereinander zu bringen, sondern vielmehr aus der in Schiedsverfahren gewonnenen Erfahrung zur Erkenntnis zu gelangen, dass es sinnvoll sein kann, in bestimmten Verfahrensabschnitten ein „mediation window“, ein „Mediationsfenster” einzubauen.

Situativ ist zunächst in interner Abstimmung des Schiedsgerichts und sodann mit jeweiliger Zustimmung der Parteien und deren anwaltlichen Vertretern zu beantworten, wann es sinnvoll sein kann, ein Mediationsgespräch – in der Regel als getrenntes Einzelgespräch – mit den Parteien und ihren anwaltlichen Vertretern zu führen. Zwar kann dieser Zeitpunkt grundsätzlich jederzeit sein, jedoch gibt es objektive Faktoren, die bspw. für eine Mediation im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sprechen können (vgl. auch dazu Jung/Weber-Stecher a.a.O., 327).

Gerade wenn die wechselseitigen tatsächlichen und rechtlichen Positionen schriftsätzlich und mündlich in der Verhandlung ausgetauscht sind, können die Parteien und ihre anwaltliche Vertreter am besten zu einer Einschätzung ihrer Erfolgschancen gelangen.
Dies kann noch dadurch verstärkt werden, wenn das Schiedsgericht durch seinen Vorsitzenden Hinweise zur vorläufigen Auffassung hinsichtlich der Sach- und Rechtslage gibt.

Dies eröffnet dann in der Regel die Grundlage für Vergleichsgespräche, die das Schiedsgericht initiiert. Zu diesem Zeitpunkt und beim Stocken solcher Gespräche und Verhandlungen kann es hilfreich sein, wenn einer der Schiedsrichter einen „Rollen- und Hutwechsel” vollzieht.

Hierzu gibt es nachvollziehbare und auch erhebliche Bedenken, ob dieser Rollenwechsel und die Wahrnehmung einer Doppelfunktion zu befürworten ist oder sich nach dem herkömmlichen Verständnis der Rolle und Funktion eines Mediators ausschließt.

Wenn das Ergebnis stimmt oder stockende Verhandlungen in Bewegung gebracht werden können, habe ich mich in Einzelfall dazu entschieden, diesen Weg zu gehen. Einzelne Schiedsordnungen, wenn auch in der Minderzahl, sehen einen solchen Rollentausch durchaus vor. Voraussetzung war und ist immer die Zustimmung der Parteien und deren anwaltlicher Vertreter, bestenfalls in doppelter Hinsicht: vor Beginn und Eröffnung der Mediationsrunde und danach, wenn die Rolle des Mediator wiederum verlassen und
die Position des Schiedsrichters eingenommen wird („Arb-Med-Arb-Opt-Out”).

Die Wahrung und Sicherstellung der Vertraulichkeit der Inhalte aus den Einzelgesprächen hat zentrale Bedeutung – auch gegenüber den anderen Schiedsrichtern. Dies macht das Vorgehen sicher nicht leichter, zumal ja die beisitzenden Schiedsrichter durch die Parteien und/oder deren Bevollmächtigte ernannt bzw. bestellt werden.

In meiner Praxis hat sich gezeigt, dass es durchaus sinnvoll sein kann, ein Mediationsfenster im Instrumentenkasten des Schiedsverfahrens vorzusehen:
Selbst wenn das Verfahren vergleichsweise nicht beendet werden kann, erhöht es das Vertrauen in die Kompetenz des Schiedsgerichtes und kann dazu beitragen, aus dem Verfahren selbst auszustrahlen auf eine von den Parteien im Anschluss an die mündliche Verhandlung doch noch gefundene vergleichsweise Lösung, die sich an den Erörterungen im Mediationsgespräch und den Vorschlägen des Schiedsgerichtes orientiert.

Author avatar

Günter Erdmann

Zertifizierter Mediator

Der Autor Günter Erdmann ist Rechtsanwalt und WirtschaftsMediator bei der mittelständischen und multidisziplinären Partnerschaft SCHLARMANNvonGEYSO in Hamburg.

Zur ausführlichen Vita