Am Beginn des Jahres möchte ich einen Ausblick auf die Entwicklung der Mediation in 2021 wagen, sozusagen als persönliche Prognose aus der Sicht eines aktiven WirtschaftsMediators.
Aus der Praxis wissen wir, dass nur ein Blick in die Vergangenheit den Weg in die Zukunft weist. 2020 war – neben allen Beeinträchtigungen im persönlichen Bereich -ein Jahr der extremen beruflichen Herausforderungen, getroffen von den Folgen des ersten Lockdown und individuell allein gelassen mit unserem erlernten Anspruch der face-to-face Mediation, der sensiblen Wahrnehmung der jeweiligen non-verbalen Verhaltensweisen im persönlichen Gespräch, die Hinweise auf die Ursachen des zu mediierenden Konfliktes liefern.
Und dann auf einmal alle laufenden und kommenden Mediationen unterbrochen und abgesagt im Hinblick auf die Herausforderungen von “historischem Ausmaß” ab Mitte März 2020 und ohne Perspektive. Sprachlosigkeit zunächst und hoffen auf ein schnelles Ende, was dann vermeintlich ja auch ab Mai 2020 wieder zu Hoffnung und einem Neubeginn – allerdings auch mit erheblich veränderten Rahmenbedingungen- führte. Ein schnelles und kurzes Strohfeuer wie wir heute wissen.
Gleichwohl bereits im Frühjahr 2020: Online ohne Vorbereitung, Sprung ins kalte Wasser! Zoom, Teams, Webex Meet werden zu neuen Wegbegleitern mit – wie ich meine – zweifelhaften Ergebnissen, zumindest in der Mediation. Auch bei adribo haben wir Neuland betreten müssen und setzen die seinerzeit kurzfristig entwickelten Tools auch jetzt im Zweiten Lockdown fallweise ein.
Diese Erfahrungen aus dem letzten Jahr haben uns „reifer“ gemacht für Anwendungen auch im aktuellen gesellschaftlichen Umfeld. Aber Einiges ist auch klarer geworden:
Aus-, Fort- und Weiterbildung, Coaching, Supervision, Team- und Organisationsentwicklung, Dialogmanagement, auch Moderation von Veranstaltungen mögen online gut oder akzeptabel funktionieren, die eigentliche ergebnisoffene und auf direkte Kommunikation setzende Mediation meiner Auffassung nach hingegen nur unzureichend.
Das mag auch daran liegen, dass die meisten praktizierenden WirtschaftsMediatoren, zu denen auch ich gehöre, mit Verlaub gesagt ältere weiße Männer sind (so auch: Bernhard Mayer, Komplexität und Flexibiltät – über die Zukunft der Mediation. www.mediationaktuell.de vom 27.10.2020), die einer aus der Kraft der Erfahrung gewonnen Überzeugung einer zielorientierten Mediation anhängen. Eine solche gelingt mit überschaubarem und planbarem zeitlichen Einsatz nicht online. Es geht die Wahrnehmung von Stimmungen und Zwischentönen verloren, die nicht gehört, vermittelt oder gespiegelt werden können.
Auch wenn es mittlerweile für E-Mediationen, Konfliktlösungen im Internet und Online-Mediationen eine Vielzahl von Anbietern gibt und diese ihre Tools und ihre Software als effektiv, kostengünstig und trotzdem individuell anpreisen, so bin ich persönlich nicht vom Erfolg dieses Weges in der Zukunft überzeugt.
Aber ich lasse mich auch gern eines Besseren belehren. Schließlich sind wir Mediatoren ja lernfähig. Hilfreich hierfür wäre vielleicht eine weitere Evaluierung wie sie schon für das Mediationsgesetz am 14.6.2017 vom Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer erstellt wurde.
Eine rechtstatsächliche Untersuchung zur Anwendung von Online-Mediationen könnte wegweisend sein, insbesondere dann, wenn klar werden sollte, dass dieser Weg der Mediation von der Zielgruppe und den Nachfragern der Mediation in der Welt der Konflikte angenommen wird.
Hinreichend beschriebenen und gewürdigt in der Literatur ist dieses Thema
bereits (vgl. nur Fritz/Pielsticker, Handbuch zum Mediationsgesetz, 2. Auflage, Teil 4 F. Besondere Formen: Online-Mediation; s.a. die Rezension von Flohr, Zeitschrift für Vertriebsrecht 2021,66). Der wirkliche Praxistest für diese Entwicklung der Mediation steht allerdings noch aus, gerade in „besseren“ Zeiten, die hoffentlich zeitnah wieder kommen werden. Bis dahin heißt es: „Kurs halten!“