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Mandanten erfolgreich durch ein Mediationsverfahren begleiten


Prof. Dr. Roland Fritz M.A. - 10. März 2021

Mandanten erfolgreich durch ein Mediationsverfahren begleiten
– Zur Rolle von Rechtsanwälten –

In bestimmten Konfliktfeldern nimmt die Zahl der Rechtsanwälte, die ihre Mandanten in einem Mediationsverfahren begleiten, deutlich zu: dazu zählen in erster Linie Wirtschaftsmediationen, ab einem bestimmten Streitwert in jüngster Zeit verstärkt aber auch Trennungs- und Scheidungsmediationen. In anderen Bereichen sind teilnehmende Anwälte hingegen eher die Ausnahme.1

So sehr die sich entwickelnde Offenheit der Anwaltschaft gegenüber Mediationsverfahren zu begrüßen ist, eine im Sinne konsensualer Streitbeilegung erfolgreiche Teilnahme wird sich nur dann einstellen, wenn einige Grundvoraussetzungen beachtet werden.

Grundkenntnisse über das Verfahren

Dazu zählt, dass nur derjenige Prozessanwalt seinen Mandanten vom Wert eines Mediationsverfahrens zu überzeugen vermag, der selbst zumindest Grundkenntnisse über den Verfahrensablauf, die eine Mediation prägenden Prinzipien und die Rolle des Mediators hat. Dazu gehört das Phasenmodell („Vom Thema über Interesse und Optionen bis hin zu Verhandlung und Vereinbarung“) und das, was sich mit „FEEZI(V)“ abkürzen lässt: Freiwilligkeit, Eigenverantwortlichkeit, Ergebnisoffenheit, Zukunftsorientiertheit, Informiertheit, Vertraulichkeit. Und dass der Mediator „VANKK“ ist, d.h. verschwiegen, allparteilich, neutral, kompetent und keinen Rechtsrat/keine Lösungsvorschläge erteilt. Das zumindest sollte der begleitende Anwalt wissen und auch seinem Mandanten vorab mitteilen können.

Auswahl des „richtigen“ Mediators

Mediatoren werden durch unterschiedliche Ausbildungsstandards, unterschiedliche Erfahrungen und unterschiedliche Herkunftsberufe geprägt. Die Auswahl des „richtigen“, soll heißen für den konkreten Konfliktfall geeigneten Mediators ist daher für den späteren Erfolg der Mediation entscheidend: Sich mithin nicht auf den „guten Ruf“, die Popularität eines bestimmen Mediators oder die von Anwaltskollegen ausgesprochenen Empfehlungen allein zu verlassen, sondern die personellen Fakten mit dem eigenen Zielen bzw. die des Mandanten in Einklang zu bringen – dies muss man im Kopf haben.

Das verlangt vom begleitenden Anwalt, dass er sich zunächst einmal mit dem Mandanten über die spezifischen Probleme und Bedürfnisse des konkreten Falles verständigt und davon dann die Auswahl des Mediators abhängig macht. Wollen sie einen Mediator, der sich ausschließlich auf die Kommunikation konzentriert oder suchen sie einen Dritten, der auch Bewertungen abgibt („agent of reality“)? Stehen Emotionen im Vordergrund, so dass psychologische Kenntnisse gefragt sind oder sind Fachkenntnisse in bestimmten Branchen oder Rechtsgebieten hilfreich? Kann es, auch mit Blick auf die andere Konfliktpartei, nützlich sein, eine Co-Mediation vorzuschlagen, um u.U. Alters- und Geschlechtsunterschieden, Fachwissen oder kulturellen Spezifika gerecht zu werden?

Nicht konfrontativ, sondern konsensual verhandeln

In der Mediation geht es nicht darum, den Mediator zu überzeugen, sondern den Konfliktgegner, das Gegenüber. Von daher ist eine Mediation zum Scheitern verurteilt, wenn der begleitende Anwalt sich wie in einem Gerichtsverfahren verhält und als („bissiger“) Prozessanwalts agiert. Das gilt insbesondere für solche Konflikte, die bereits seit Jahren bei Gericht anhängig sind; die Rechtsstandpunkte wurden dort regelmäßig bereits zu Genüge ausgetauscht und das Mediationsverfahren wurde ja gerade gewählt, um einen neuen Weg zu beschreiten und eine andere Strategie anzuwenden. Wenn es daher darum gehen soll, den jeweils anderen Konfliktbeteiligten für eine Lösung gewinnen zu wollen, dann ist konfrontatives Vorgehen kontraproduktiv. Stattdessen ist ein konsensuales Vorgehen angezeigt, eine Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Ziel einer Zusammenarbeit. Dabei steht über allem, dass der begleitende Anwalt sich in seinen Wortbeiträgen zurückhalten, den Naturalparteien den Vortritt überlassen und den Hut des Prozessanwalt ablegen sollte.

All dies ist im Vorfeld zwischen Anwalt und Mandanten abzuklären, damit keine unterschiedlichen Rollenverständnisse und -erwartungen bestehen, die dann im Verfahren zu Irritationen führen. Wenn diese Überlegungen beherzigt werden, dann dürfte es auch aus Sicht des Mandanten nicht notwendig sein, auf den zunächst mit guten Gründen gewählten kämpferischen Prozessanwalt im Mediationsverfahren zu verzichten oder ihn gar durch einen anderen, mehr auf Verhandlungslösungen setzenden Bevollmächtigten zu ersetzen.

Alle Infos auf den Tisch, zumindest im vertraulichen Einzelgespräch

Eine Mediation lebt davon, dass alle für eine Lösung in Betracht kommenden Informationen auf den Tisch gelegt werden. Denn nur wer die notwendigen Rahmenbedingungen kennt, wird auch eine gute Entscheidung treffen können. Diese das Mediationsverfahren prägende Informiertheit darf jedoch keine Einbahnstraße sein, soll heißen alle Konfliktparteien müssen sich öffnen und Informationen liefern – und nicht das Mediationsverfahren nur pro forma betreiben, um an Informationen zu gelangen. Der seinen Mandanten begleitende Anwalt wird daher darauf achten, dass diesem durch die Preisgabe von Informationen kein Nachteil droht und ggf. intervenieren.

Die Chance den Streit beizulegen wird jedoch erhöht, wenn die Medianden zumindest gegenüber dem Mediator offen sind. Informationen, die nicht in der großen gemeinsamen Runde benannt werden sollen, können daher im Einzelgespräch (caucus) mit dem Mediator geäußert werden, der bekanntlich von Gesetzes wegen gegenüber Dritten zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und in einem Zivilprozess auch nicht als Zeuge benannt werden kann. Und im Hinblick auf die andere Konfliktpartei sollte der Mediator im Einzelgespräch Vertraulichkeit zusichern – ein wichtiger Punkt, auf den zu achten der begleitende Anwalt aufgerufen ist.

Mandanten zu Medianden machen

Mandanten gehen zumeist davon aus und erwarten von ihren Anwälten, dass diese den Mediator auswählen und sie vorab beraten, was sie in das Mediationsverfahren einbringen sollen und was nicht. Von den im vorherigen Kapitel benannten Ausnahmen abgesehen ist dies jedoch der falsche Ansatz: Der Mandant selbst muss zum Medianden werden, zum aktiven Gestalter des Mediationsprozesses. Denn als Konfliktpartei weiß er in der Regel selbst am besten, welche Klippen zu überwinden sind, um zu einer guten und funktionierenden Vereinbarung zu gelangen. Von daher muss der Anwalt den Mandanten ermutigen, wenn Bedenken bestehen sollten, sich in diese Rolle zu begeben.

Mediation als Lernmöglichkeit begreifen

Nicht jede Mediation endet mit einer Vereinbarung – und doch wäre es falsch stets von einer fehlgeschlagenen Mediation zu sprechen. Das Mediationsverfahren stellt auch in diesen Fällen für Mandant und den ihn begleitenden Anwalt eine Lernmöglichkeit dar, von der sie für den weiteren Fortgang der Auseinandersetzung profitieren können. Zum einen erfahren sie, was die andere Konfliktpartei über die behandelten Themen denkt und was aus deren Sicht erforderlich ist, um zu einer Lösungsmöglichkeit zu gelangen. Zum anderen trägt ein konstruktiver und aktiver Dialog während des Mediationsverfahrens dazu bei, das Verständnis zwischen den Parteien zu fördern, auch wenn in der Mediation selbst keine Einigung erzielt werden konnte. Vielleicht war die Zeit für eine Lösung einfach noch nicht reif. Aber mit den Erfahrungen des Mediationsverfahrens lässt sich vielfach zu einem späteren Zeitpunkt – auch noch in einem Gerichtsverfahren – eine beide Seiten zufriedenstellende Vereinbarung erzielen.

1 Zur anwaltlichen Begleitung in Mediationsverfahren vgl. u.a. Klowait/Gläßer, Mediationsgesetz, 2. Aufl., S. 812 ff; Schmid/Lapp/Monßen, Mediation in der Praxis des Anwalts, S. 23 ff, 52 ff., Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries, Mediation in der Wirtschaft, 3. Aufl., S. 298 ff; Mattioli, Mediation in der anwaltlichen Praxis, 2012. Zur Besonderheit, dass beide Anwälte zugleich ausgebildete Mediatoren sind Fritz/Schneider-Koslowski, Cooperative Praxis – „CP“ (Kooperatives Anwaltsverfahren, S. 984 ff, in: Fritz/Pielsticker, Handbuch des Mediationsgesetzes, 2. Aufl., 2020. Zur frühzeitigen Klärung des Rollenverhaltens begleitender Rechtsanwälte aus Mediatorensicht Ade/Alexander, Mediation und Recht, Rdn. 356.

 

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Prof. Dr. Roland Fritz M.A.

Zertifizierter Mediator, WirtschaftsMediator, Supervisor
Rechtsanwalt


Der Autor Prof. Dr. Roland Fritz verfügt über eine lange juristische Karriere. Er war als Richter tätig, arbeitete einige Jahre beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, wurde Präsident des Verwaltungsgerichts Gießen, später Präsident des Verwaltungsgerichts in Frankfurt/Main und ist seit 2002 ebenfalls Honorarprofessor an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Seit 2013 ist er als Rechtsanwalt zugelassen. Roland Fritz ist Absolvent des Master-Studiengangs Mediation an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Er war seit 2006 als gerichtlicher Mediator in der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit aktiv und ist nun als freiberuflicher Mediator, Supervisor und Trainer für Richter, Rechtsanwälte sowie Studenten tätig.

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