Es darf unterstellt werden, dass ER ihn kannte –
den prunkvollen „Sala del Collegio“ im Dogenpalast zu Venedig, in dem sich der Staatsrat (Pien Collegio) des Stadtstaates regelmäßig versammelte.
Es ist hier nicht der Ort, auf die wohlaustarierten Räte der Savi (Weisenrat, Rat für das Festland und Befehlsrat) und der Signoria (Quarantia und Kleiner Rat) – zwei voneinander unabhängige und autonome Organe – im Einzelnen einzugehen und ihre politische Arbeit, die sich hauptsächlich im Bereich der Außenpolitik des Senats festmachen lässt, im Detail zu beschreiben.
Vielmehr soll die Aufmerksamkeit des Lesers auf die prunkvollen Dekorgemälde des Saales des Staatsrats gelenkt werden, die nach dem Brand von 1574 zwischen 1575 und 1578 von Paolo Caliari, genannt il Veronese ausgeführt wurden. Die Deckengestaltung zählt, will man der Beschreibung vor Ort glauben, zu den Meisterwerken Veroneses und verherrlicht die Gute Regierung der Republik sowie das Vertrauen, auf dem sie ruht und den Ruhm, der sie leitete und verstärkte.
Doch wer ist ER, von dem eingangs die Rede war?
Gemeint ist der so erfolgreiche und gemeinhin als erster Mediator bezeichnete venezianische Adlige und Diplomat Alvise Contarini, der zum Zustandekommen des Westfälischen Friedens 1648 durch seine Vermittlungstätigkeit entscheidend und erfolgreich beigetragen hatte.
Contarini, geboren 1597, verstorben 1651 und 1653 in der Familienkapelle der Kirche Madonna dell’Orto beigesetzt (zu Einzelheiten siehe hier), das darf unterstellt werden, wird auch das im Sala del Collegio dargestellte Bild „La Moderazione“ aufgefallen sein, das eine der Tugenden erfolgreichen staatlichen Handelns und zugleich eine Vorgehensweise aktuellen Konfliktmanagements beschreibt, nämlich Moderation im Sinne von „Mäßigung“. Und moderiert, mithin zur Mäßigung beigetragen, hat Contarini in zahllosen Gesprächen mit den Kriegsparteien des 30jährigen Krieges. Möglicherweise hatte er dabei – im kalten Norden Deutschlands, in Münster und Osnabrück – das warme und zugleich erhellende Deckengemälde Paolo Veroneses vor Augen.