Als außerordentlich spannend, lehrreich und nutzbringend erwies sich das Angebot, das der Geschäftsführende Ausschuss der AG Mediation im Deutschen Anwaltverein schon im vergangenen Herbst seinen Mitgliedern unterbreitet hatte: sich vor der wechselvollen und konfliktreichen Geschichte der Stadt Lissabon mit aktuellen Fragen der Mediation zu befassen (17. bis 22.2.2022). Perfekt umgesetzt von Heiner Kranz (www.sisra.de) gab es keinerlei organisatorische oder sonstige Schwierigkeiten, die die teilnehmenden Mediatorinnen und Mediatoren von inhaltlichen Fragestellungen und Erörterungen abgelenkt hätten.
I. Das portugiesische Mediationsgesetz
Was zunächst das Mediationsgeschehen im Gastgeberland Portugal selbst anbelangte, so hatten die Teilnehmenden bei verschiedenen Anlässen Gelegenheit, sich hierüber auszutauschen. Wie adribo-Gesellschafter Prof. Dr. Roland Fritz, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main (www.adribo.de), zu berichten wusste, hat der portugiesische Gesetzgeber – wenn auch mit fünfjähriger Verspätung – mit seinem Gesetz Nr. 29/2013 vom 19. April 2013 (Lei da Mediaçõ) die EU-RL 2008/52 EG in nationales Recht umgesetzt. Dieses Gesetz bestimmt die für die Mediation in Portugal geltenden Grundsätze und Regelungen für Mediationen in Zivil-und Handelssachen, enthält Vorschriften über die Mediatoren (Mediador de Conflito) und regelt die (weitere) öffentliche Mediation. Daneben gibt es zusätzliche Rechtsvorschriften und ergänzende Erlasse für diesen Bereich.
Die öffentliche Mediation ist zum einen bei den Friedensgerichten (Julgados de Paz) angegliedert, zum anderen bestehen öffentliche Mediationssysteme der Familien- und Arbeitsmediation sowie des Täter-Opfer Ausgleichs.
Anders als im deutschen MediationsG hat der portugiesische Gesetzgeber die drei „V“ der EU-RL, nämlich Vertraulichkeit, Verjährung und Vollstreckbarkeit, in nationales Recht umgesetzt. Eine im Wege einer Mediation erzielte Einigung ist danach u. a. dann vollstreckbar, wenn sie unter Beteiligung eines Mediators zustande kam, der in der vom Justizministerium geführten Mediatorenliste eingetragen ist. Von der Vertraulichkeit kann – ähnlich wie in § 4 MediationsG – abgewichen werden. Im Übrigen ist der Inhalt von Mediationssitzungen nicht als Beweismittel vor Gericht zulässig.
Die Inanspruchnahme der öffentlichen Mediation ist – sieht man einmal vom Bereich des Strafrechts (Täter-Opfer Ausgleich) ab – für den einzelnen Bürger nicht kostenfrei. Es werden geringe Gebühren erhoben und zusätzlich erheben die eingetragenen Mediatoren ebenfalls Gebühren. Bei einer privaten Mediation hingegen werden die Kosten von dem von den Parteien gewählten Mediatoren festgelegt.
Für die Ausbildung und die Ausbildungsinhalte sind Verbände und Universitäten verantwortlich, die beim Justizministerium, Generaldirektion für Justizpolitik (Direção-Geral da Política de Justiça), akkreditiert sein müssen, wenn sie sich für das öffentliche System zertifizieren möchten. Für die Ausbildung ist u. a. eine Mindeststundenzahl von 180 Ausbildungsstunden vorgeschrieben, nicht hingegen Supervision oder Fortbildung.
Mediation kann in Portugal auch außergerichtlich, als privatwirtschaftliche Mediation stattfinden. Allerdings finden sich hierzu im Mediationsgesetz keine ausdrücklichen Regelungen. Jedoch wird beim Justizministerium eine Liste für akkreditierte Privatmediatoren geführt.
II. Fortbildungsschwerpunkte
Von den zuvor wiedergegebenen rechtlichen und tatsächlichen Umständen des portugiesischen Mediationssystems abgesehen widmeten sich die Teilnehmenden vertieft den Fortbildungsschwerpunkten und -bereichen „Kurzzeitmediation“, „Recht der und in der Mediation“, „Allparteilichkeit des Mediators/der Mediatorin“ und „Praktische Anwendung der mediationsanalogen Supervision“.
1. Prof. Dr. Roland Fritz, der zum Thema „Kurzzeitmediation“ referierte, stellte diese besondere Methode im Einzelnen vor und erläuterte zunächst, dass in allen Bereichen, in denen Mediation nachgefragt werde, verstärkt ein Bedürfnis nach Lösungen in einem überschaubaren Zeitraum bestehe. Als Gründe würden häufig begrenzte finanzielle, zeitliche oder gesundheitliche Ressourcen genannt. Um dem gerecht werden zu können sei das Konzept der Kurzzeitmediation entwickelt worden, das sich auf die Durchführung einer Mediation in einer einzigen Sitzung konzentriere. Eine systematische und strukturierte Vorbereitung und ein konfliktangemessenes Zeitmanagement zeichneten dieses Verfahren aus. Es verlange vom Mediator einen erfahrenen Umgang mit Methoden und Techniken und ein gutes Zeitgefühl, um nicht nur als Verfahrens- sondern auch als Zeitregisseur den Parteien behilflich sein zu können. Ausgehend von den Informationen, die der/die MediatorIn im Vorfeld erfahren habe und unter Berücksichtigung der von ihm/ihr entwickelten Hypothesen erstelle er/sie sodann ein dem konkreten Konfliktgeschehen und den Parteien gerecht werdendes Zeitmanagement.
Dabei werde nicht einfach die zur Verfügung gestellte Zeit durch die sechs Stufen der Mediation (Einführung, Themensammlung, Interessenerforschung, Optionensuche, Verhandeln und Vereinbaren) geteilt, sondern es sei zudem zu berücksichtigen, dass die Parteien eine Pause benötigen würden und dass eine Joker–Zeit (Zusatz-Zeit) als Arbeitsschritt einzuplanen sei.
2. Dr. Thomas Lapp, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main (www.dr-lapp.de), der über die Thematik „Mediation und Recht“ vortrug, animierte die Teilnehmenden mit einer Vielzahl von Fragen und Problemen aus seiner umfangreichen Mediationspraxis zu intensiven Diskussionen. Dabei stand im Mittelpunkt die Frage, ob und wann es angemessen und zielführend sein kann, zum einen überhaupt rechtliche Probleme in das Mediationsverfahren einzuführen und zum anderen durch wen dies zu geschehen haben – den/die MediatorIn, die begleitenden und am Mediationsverfahren teilnehmenden Bevollmächtigten oder durch hinzugezogene ExpertInnen.
3. Dr. Hanns-Uwe Richter, Rechtsanwalt in Heidelberg (www.heidelberg-mediator.de) wusste die Teilnehmenden mit seinem Beitrag zur „Haltung des Mediators und den Gefahren für dessen Allparteilichkeit“ zu überzeugen. Ausgehend davon, wie sich Allparteilichkeit herbeiführen lässt, nämlich durch Empathie, Kongruenz und bedingungslose positive Zuwendung, warf er sodann die Frage auf, was geschieht, wenn es dem/der MediatorIn nicht gelingt, die Voraussetzungen hierfür zu schaffen und wie mit dem sich dann bildenden Widerstand des Medianden umgegangen werden kann. Als Lösung komme für den/die MediatorIn allein eine „Rückbesinnung auf sich in den Zustand innerer Klarheit“ in Betracht.
4. Schließlich demonstrierte adribo Gesellschafterin Lilly Fritz, Zertifizierte Mediatorin und Ausbilderin (BAFM) (www. adribo.de), die konkrete Anwendung der mediationsanalogen Supervision mit ihren Stufen „Fallvorstellung, Hypothesenbildung, Optionensuche sowie Verhandeln und Vereinbaren“ anhand eines konkreten Mediationsfalles einer Teilnehmerin, der interessante gesellschaftsrechtliche Probleme im Kontext eines Familienunternehmens betraf und die Teilnehmenden u.a. mit Fragen der Co-Mediation wie auch des Einsatzes von Einzelgesprächen befasste.
III. Fazit
Ein gelungenes und erhellendes Experiment eines Fortbildungsangebots in der Stadt des Lichts, das im Jahre 2023 eine Wiederholung in einer anderen europäischen Metropole und mit anderen Themenschwerpunkten verdient hat.