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Ein Schwergewicht


Helga Jaspersen M.A. - 6. August 2020

Dieser Tage ist das „Handbuch zum Mediationsgesetz“ in 2. Auflage erschienen. War schon die Erstauflage gewichtig, was Qualität, Umfang und Autoren betraf (vgl. nur Zepf, DÖV 2013, 391f, Niedostadek, Mediator 03/2013, 26, Kilian, AnwBl 7/2013,513), so haben die beiden Herausgeber und adribo Gesellschafter Prof. Dr. Roland Fritz (Frankfurt) und Dr. Dietrich Pielsticker (Berlin) mit ihrer 2. Auflage ersichtlich noch einmal „eine Schippe“ daraufgelegt. Hält man es in der Hand, so braucht im ersten Moment etwas Mut, dieses schwergewichtige Werk als Nachschlagewerk und Lektüre zum Lernen zu nutzen. Auf über 1300 Seiten ist das Werk in der 2. Auflage angewachsen. Das bewährte Autorenteam wurde um ausgewiesene Expertinnen und Experten erweitert und sowohl die kommentierten Bereiche als auch die lehrbuchartigen Beiträge thematisch und inhaltlich (noch) breiter aufgestellt.

Der Kommentarteil

Das beginnt bereits im Kommentarteil. So wurden in Teil 1 die Kommentierungen der Normen des Mediationsförderungsgesetzes (Fritz bzw. Pielsticker), also des eigentlichen Mediationsgesetzes und der Verfahrensordnungen der verschiedenen Gerichtsbarkeiten,  unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Schrifttum auf den neuesten Stand gebracht.

Zudem wurde in Teil 2 eine umfassende Kommentierung der „Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren“ neu aufgenommen (Fritz), die vielfach praktikable Lösungsvorschläge unterbreitet, um die Verordnung handhabbar zu machen. Der Kommentarteil wurde abgerundet mit einer Erläuterung der einschlägigen Normen des seit der Erstauflage in Kraft getretenen Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes und des (bestehenden) Rechtsdienst-leistungsgesetzes (Schroeder) in den Teilen 3 und 4.

Der Lehrbuchteil

Ebenfalls grundlegend überarbeitet und ergänzt wurden „Methodik und Anwendungsbereiche der Mediation“ in Teil 5 und „Andere Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ in Teil 6. Dies gilt insbesondere für die Darstellung des immer wichtiger werdenden Bereiches  der Online-Mediation (Sturm), die nicht zuletzt in der aktuellen Covid-19 Pandemie einen neuen Stellenwert erfahren hat. Auch die Ausführungen zu den Anwendungsbereichen der Mediation im Zivilrecht, im Öffentlichen Recht und im Strafrecht (Schroeder / Stegmann) setzen neue Schwerpunkte.

Dem Umstand, dass sich modernes Konfliktmanagement heutzutage dahingehend versteht, neben der Mediation auch andere Konfliktbeilegungsmethoden verstärkt anzuwenden und/oder zu kombinieren, trägt das Handbuch in seinem Teil 6 Rechnung. Dazu zählt insbesondere der für Anwälte interessante Beitrag zur Cooperativen Praxis (Fritz/Schneider-Koslowski), wie auch die neuen bzw. grundlegend überarbeiteten Bereiche der Organisationsentwicklung (Sellke), des Coachings (Klenk), der Moderation (Klenk) und der (herkömmlichen) anwaltlichen Vergleichsvermittlung (Erdmann). Gerade letztere nimmt bei Anwendung der einschlägigen Konfliktbeilegungstools einen deutlich anderen Verlauf, als wenn (ausschließlich) kontradiktorisch verhandelt wird.

Die zahlreichen anderen Beiträge, seien es die Darstellungen von Ursachen und Entwicklung von Konflikten (Etscheit), von Psychologischen Aspekten, Hintergründen und Dynamiken der Mediation (Krabbe), der ökonomischen Fragen (Sundermann), der Schlichtung (Lembke) oder der Schiedsgerichtsbarkeit (Löggering), finden sich in überwiegend aktualisierter Form erneut im Handbuch wieder.

Die Praxishinweise

Das Handbuch ist wirklich sehr vollständig, zudem gründlich und geht in die Tiefe. Es unterscheidet es sich von anderen Konkurrenzprodukten, in dem sich zu den einzelnen Kommentierungen wie zu den Beiträgen durchgängig „Hinweise für die Praxis“ finden, die neben konkreten Vorschlägen auch nützliche Checklisten und Formulare enthalten.

Und wer bspw. wissen möchte, ob er einen Mediationsauftrag annehmen darf oder ob die Inkompatibilitätsregelungen des   MediationsG dem entgegenstehen, wird im Handbuch ebenso fündig werden (S. 144 ff, 941 ff) wie derjenige, der sich fragt was er tun muss, weil er als zertifizierter Mediator seinen Fortbildungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist (S. 553, 510). Und wer sich – sei es in der Ausbildung oder in der Vorbereitung eines anstehenden Mediationsverfahren – vertieft mit Konfliktursachen und ihren Dynamiken auseinandersetzen möchte, der kann sich das erforderliche Wissen mit Hilfe des Handbuches unschwer aneignen (S. 666 ff). Das gilt auch für die zahlreichen immer wieder auftretenden Fragen nach dem angemessenen Verfahren (S. 745 ff) oder Setting für einen spezifischen Konflikt (S. 760 ff). Als außerordentlich nützlich für Ausbilder wie Auszubildende erweist sich die dem Werk vorangestellte „Übersicht nach der Anlage zur ZMediatAusbV“ (S. LXXIII ff). Mit ihrer Hilfe erschließt sich, an welchen Stellen sich Informationen zu notwendigen Inhalten der Ausbildung finden lassen.

Quintessenz

Das Handbuch ist für Auszubildende und Trainer ein „Muss“, für praktizierende Mediatoren „Pflicht“. adribo ACADEMY wird es in seiner im Oktober 2020 neu beginnenden Ausbildung zum Zertifizierten Mediator als Ausbildungslektüre einsetzen.

Das Werk kann ich trotz oder sogar wegen seines Schwergewichts uneingeschränkt empfehlen.

Es ist erschienen bei Wolters Kluwer, ISBN: 978-3-472-09577-4, zum Preis von 99,00 Euro.

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Helga Jaspersen M.A.

Zertifizierte Mediatorin

Die Autorin Helga Jaspersen ist Unternehmensberaterin und spezialisiert auf Teamentwicklung, Coaching, Supervision und Moderation. Sie studierte Industrie-Design und Sozialwissenschaften in Hannover. Helga Jaspersen absolvierte dazu eine Ausbildung zum NLP-Master und hat sich nach einer integrativen Coaching-Ausbildung zusätzlich zur systemischen Supervisorin fortgebildet.

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