Ein „frommer“ Wunsch ist er geblieben, der Appell, den adribo-Gesellschafter Dietrich Pielsticker nach der Wahl im Jahre 2017 an die seinerzeit noch zu bildende Bundesregierung richtete. Unter der Überschrift „Förderung der Mediation“ plädierte er dafür,
-in familiengerichtlichen Verfahren Mediation als Zulässigkeitsvoraussetzung vorzuschreiben,
-§ 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO als zwingende Voraussetzung umzugestalten
-eine Mediationskostenhilfe vorzunehmen und
-eine staatliche Zertifizierungsstelle einzurichten
(zum Beitrag hier).
Die große Koalition jedenfalls hat sich der Themen nicht angenommen, sieht man einmal von den Online-Aktivitäten des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Mediationsausbildung ab.
Und wie sieht es jetzt, vier Jahre später, mit einer aus drei Parteien bestehenden neuen Regierungskonstellation aus, die ihren Koalitionsvertrag mit „Mehr Fortschritt wagen“ (zum Koalitionsvertrag hier) überschrieben hat?
Die Aktualität der von Dietrich Pielsticker angemahnten Veränderungen besteht nach wie vor, jedoch verhält sich der Koalitionsvertrag hierzu leider nicht, weder direkt noch indirekt.
Es finden sich jedoch an einigen wenigen Stellen Hinweise, die darauf schließen lassen, dass die neue Koalition eine frühzeitige und intensivere Bürger- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung anstrebt. So heißt es u.a.
> Indem wir Bürgerinnen und Bürger früher beteiligen, machen wir Planungen schneller und effektiver (Zeile 150).
> Wir wollen eine neue Kultur der Zusammenarbeit etablieren, die auch aus der Kraft der Zivilgesellschaft heraus gespeist wird (Zeile 169).
> Wir wollen die Qualität der Gesetzgebung verbessern. Dazu werden wir neue Vorhaben frühzeitig und ressortübergreifend, auch in neuen Formen, diskutieren. Wir werden dabei die Praxis und betroffene Kreise aus der Gesellschaft … besser einbinden… (Zeile 199).
> Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben. Wir werden Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen durch den Bundestag einsetzen und organisieren (Zeile 212).
> Wir wollen durch mehr Transparenz unsere Demokratie stärken. Uns leiten die Prinzipien offenen Regierungshandelns – Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit (Zeile 220).
> Alle staatlichen Stellen sollen Verwaltungsverfahren so vereinfachen und verbessern, dass gerichtliche Auseinandersetzungen möglichst vermieden werden (Zeile 288).
> Die Bundesregierung verstärkt ihre Kompetenz zur Unterstützung dialogischer Bürgerbeteiligungsverfahren (Zeile 300).
> Um Verwaltungsverfahren zu beschleunigen, werden wir eine frühestmögliche und intensive Öffentlichkeitsbeteiligung einführen. Diese wird mit einer Mitwirkungspflicht für die anerkannte Naturschutzverbände und für die betroffene Öffentlichkeit kombiniert. Wir wollen eine wirksame und unionsrechtlich zulässige Form der materiellen Präklusion einführen (Zeile 312).
> Wir wollen klarstellen, dass wiederholte Auslegungs-, Einwendungs- und Erwiderungsschleifen vermieden werden können, indem bei Planänderungen nach Bürgerbeteiligung nur noch neu Betroffene zu beteiligen und Einwendungen nur mehr gegen Planänderungen zulässig sind (Zeile 319).
> Wir werden die Umsetzung von Moorschutzmaßnahmen durch einen partizipativen Prozess zur Erarbeitung nachhaltiger Entwicklungskonzepte begleiten… (Zeile 1203).
Diese Ansätze im Koalitionsvertrag decken sich mit den guten Erfahrungen, die im Südwesten der Republik, nämlich in Baden-Württemberg, bereits seit geraumer Zeit mit Bürgerbeteiligung gemacht wurde, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung belegt (zur Studie „Einblicke in die Bürgerbeteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg“ hier). Eine Erkenntnis der Untersuchung war, dass Beteiligungsverfahren sich durch eine Methodenvielfalt auszeichnen: Nicht „one size fits all“, sondern abhängig von der jeweiligen Situation müssen das Setting und die verwendeten Instrumente ausgewählt werden. Und es kommt hinzu, dass sich externe Moderation als äußerst zielführend erwiesen hat, wird doch die Verwaltung selbst häufig als parteiisch empfunden, so dass es erforderlich ist, Fach- und
Moderatorenrolle zu trennen (Wachinger et.al., Kommunale Planung: Bürger erfolgreich beteiligen, S. 79).
Ausgehend hiervon kann die Prognose gewagt werden, dass – so denn die Ampelkoalition ihre oben dargestellten Programmsätze umsetzt – nicht nur das ganze Spektrum von Beteiligungsverfahren eine Aufwertung erfahren, sondern auch die Mediation als solche hiervon profitieren wird: Denn partizipative Prozesse bedürfen, wollen sie nicht aus dem Ruder laufen, nicht selten des Einsatzes mediativer Elemente, um Streitigkeiten/Verwerfungen/Differenzen zu überwinden und zu sachgerechtem Verhandeln zurückzukehren. M.a.W. Mediationsverfahren eignen sich auch für die Strukturierung von ganz unterschiedlichen Partizipationsverfahren ( vgl. schon Benighaus, Wachinger, Renn, Bürgerbeteiligung, S. 116).
In diesem Sinne besteht denn eine gewisse Hoffnung, dass die neue Ampel, was Dialog, Partizipation und alternative Konfliktbeilegung anbelangt, auf grün schaltet und auf diese Weise zumindest mittelbar zur einer Stärkung der Mediation beitragen wird. Lassen wir uns überraschen!